Und wenn du lachst, geht alles wie von selbst
Die Sonne strahlte noch am komplett blauen Himmel, Balkon und See lockten verführerisch, um die Woche an diesem herrlichen Sonntagabend abzuschließen. Aber es gab einen Grund, um mich an diesem 8. Juli in die dunkle Halle vom Tollhaus zu begeben: Gisbert zu Knyphausen. Letztes Jahr hat der deutsche Liedermacher, Sänger und Gitarrist sein neues Album „Das Licht dieser Welt“ veröffentlicht, das er nun mit nach Karlsruhe zum Zeltival brachte. Grund genug, den Künstler einmal live zu erleben.
Gisbert zu Knyphausen – Rückkehr nach Sinnsuche
Wie der Sprecher vom Tollhaus berichtete spielte Gisbert zu Knyphausen zuletzt 2010 im Tollhaus. Seitdem ist viel passiert. Aber von Anfang an: Der gebürtige Hesse aus dem Rheingau, der mittlerweile in Hamburg lebte, etablierte sich 2008 mit seinem selbstbetitelten Debütalbum auf Anhieb in der ersten Reihe der deutschen Liedermacher. Zwei Jahre später zog er nach Berlin und veröffentlichte sein zweites, ebenfalls sehr gefeiertes Album „Hurra! Hurra! So nicht”.
Gemeimsam mit Nils Koppruch brachte Gisbert unter dem Bandnamen Kid Kopphausen 2012 ein Album heraus. Den beiden wurde großer Erfolg zugesprochen, Tourneen durch große Hallen lagen vor ihnen. Doch kurz nach Veröffentlichung des Albums starb Nils Koppruch überraschend im Schlaf. Der Wahlberliner stürzte vom Pop-Himmel in ein dunkles Loch, in eine Art Schockstarre. Nach Nils Tod konnte er keine Gitarre anfassen, ohne traurig zu werden. Daher zog er sich erst mal aus der Öffentlichkeit zurück.
Ideen für neue Lieder waren zwar da, doch es sollten nicht nur traurige Lieder entstehen. Gisbert ließ sich Zeit, probierte vieles aus, reiste viel herum: Nach Russland, Albanien, Frankreich und, auf Einladung des Goethe-Instituts, in den Iran. In Teheran entstand mit der iranischen Band Pallett das Lied „Teheran Smiles“. Außerdem spielte er in der Band von Olli Schulz, bis er schließlich mit dem Schreiben neuer Texte nicht mehr hinterherkam. Zeit also, für sein nächstes Soloalbum!
Das Licht der Welt – Gisberts drittes und reifstes Album
Sieben Jahre seit dem zweiten Studioalbum, fünf seit der Zusammenarbeit mit Nils Koppruch, erschien 2017 das dritte Album von Gisbert zu Knyphausen. Laut Kritikern ist “Das Licht dieser Welt” das bislang reifste Werk des Künstlers.
Trotz schwerer Themen ist es kein Traueralbum, dennoch schlägt es mit den Liedern “Niemand” und “Etwas Besseres als den Tod finden wir überall” Brücken in die Zeit mit Nils Koppruch. Insgesamt deckt es inhaltlich von Geburt bis Tod alles ab, das Thema Geburt erscheint gleich zweimal: Sehr fröhlich und lebensbejahend im Titelsong. Dahingegen handelt das Lied “Kommen und Gehen” von einem alten Menschen, der auf sein Leben zurückblickt, aber auch von einem toten Baby, das nie das Licht dieser Welt erblickt hat – diese Erfahrung mussten enge Freunde vom Sänger machen.
Das Licht dieser Welt in Karlsruhe
20.15 Uhr: Während ich glücklich in der zweiten Reihe stand, füllte sich hinter mir der Konzertsaal sehr schnell. Durch das grandiose Wetter herrschte allgemein eine sehr gute, ausgeglichene Stimmung. An diesem Abend war das Zeltival im Tollhaus bereits eine Woche in vollem Gange.
20.30 Uhr: Knappe drei Meter direkt vor mir begann Gisbert zu Knyphausen ganz ruhig und sanft, alleine und nur mit seiner Gitarre. Schon beim ersten Lied „Verschwende deine Zeit“ war ich völlig hin und weg – Dieser sachte Einstieg, unterstützt vom wunderschönen Bühnenbild, das dem Albumcover entsprach, erzeugte direkt eine sehr intensive Stimmung.
„Und renn ruhig nach dem Glück
Der alte Brecht hats schon gesagt
Du rennst und rennst und das Glück rennt hinterher“
Gisbert zu Knipphausen, „Verschwende deine Zeit (Gisberts Blues Nr. 135)“, Album „Gisbert Zu Knyphausen“
Dieser Einstieg zeigte, dass es nicht nur die neuen Lieder, sondern auch altes Repertoire geben sollte. Beim zweiten Lied konnte ich mich direkt über einen meiner Favoriten freuen, „Das Licht dieser Welt“. Schon als ich es letztes Jahr zum ersten Mal gehört habe, war ich ganz verzaubert: In dem Titelsong des neuen Albums besingt Gisbert das Glücksgefühl, Vater zu werden. Auch wenn er es nicht selber erlebt hat, kann er sich sehr gut in das Gefühl rein versetzen, da viele seiner Freunde und seine Brüder in den letzten Jahren Eltern geworden sind. Auch ist er zumindest Stief- oder Ziehvater geworden, da seine Freundin eine Tochter hat.
Wie erwartet war es wunderbar, dieses wunderschöne Lied live zu erleben. Nicht nur, weil Gisbert das Lied aus tiefsten Herzen sang. Hier im zweiten Lied setzte ganz langsam und vorsichtig die Band mit ein und man merkte sofort die starke Energie, die auch von ihr ausging.
„Kaum ist die Nabelschnur ab, stehen wir alle auf dem Schlauch.
das Chaos ist hier ist unendlich, doch die Liebe ist es auch
nur deine Tränen sind es nicht, sie verändern nur die Sicht
auf das was du brauchst, und das was nichtUnd wenn du lachst, geht alles wie von selbst
schau wie die Freude kommt und alles hier auf den Kopf stellt
und denk immer dran: selbst wenn das Unglück dieser Welt
mal auf deine Schulter fällt
ein neuer Tag wartet schon auf dich
am Ende jeder noch so langen Nacht.“
Gisbert zu Knyphausen, „Das Licht dieser Welt“,
Album „Das Licht dieser Welt“
Die Harmonie zwischen Frontmann und der Band war elektrisierend, die Atmosphäre fantastisch, die Musik wunderschön. Natürlich waren die Texte nicht nur leichte Kost. Aber genauso wenig wie unsere Emotionen nur positiv sind, ist es ebenso wenig das Leben. Und darüber singt Gisbert nun einmal.
„Und so wie es war, soll es nie wieder sein
So wie es ist, darf es nicht bleiben
Wie es dann wird, kann vielleicht
Nur der bucklige Winter entscheiden“
Gisbert zu Knyphausen, „Seltsames Licht“,
Album „Hurra! Hurra! So nicht.“
Wir im Publikum kamen in den Genuss vieler weiterer Lieder vom neuen Album, wie “Unter dem Hellblauen Himmel”, “Stadt Land Flucht”, “Etwas Besseres als den Tod finden wir überall” oder “Teheran Smiles”. Doch wir durften auch alte Songs hören, wie “Hier bin ich”, “Erwischt” oder “Das Leichteste der Welt.
Nachdem sich die Band verabschiedete tobte der Saal vor tosendem Applaus. Alle waren begeistert. Die Musiker ließen sich zu zwei Zugaben bewegen, bevor sie sich, selber vom Publikum bewegt, endgültig verabschiedeten.
Nachdem sich die Band verabschiedete tobte der Saal vor tosendem Applaus. Alle waren begeistert. Die Musiker ließen sich zu zwei Zugaben bewegen, bevor sie sich, selber vom Publikum bewegt, endgültig verabschiedeten.
Spontan fragte ich meine Konzertnachbarin, der ebenfalls wie mir Tränen in den Augen standen, wie sie das Konzert fand. Doch sie war noch so gerührt, dass sie kaum Worte fand: „Ich fand`s cool… ohne Worte. Hat mich mitgerissen!“ Zwei weitere Konzertbesucherinnen waren sich einig „Geil, super. Wir sind begeistert. Hätten gern noch mehr Zugaben gehabt“. Da ich selber noch so überwältigt war, beließ ich es mit dieser Miniumfrage.
Ich kann nur sagen, dass ich so froh war, der Sommersonne für einige Stunden den Rücken gekehrt zu haben und einen unglaublich sinnlichen, intensiven und wunderschönen Abend erlebt zu haben.
Das Zeltival im Tollhaus läuft noch bis zum fünften August.
Zusätzliche Quellen:
dpa, auf Zeit.de
Musikexpress.de
swr.de
Matthias Fischer
3. October 2019Johanna Wies
4. October 2019